Über die schier endlosen Weiten des zugefrorenen Baikalsees lief das weit auseinander gerissene Teilnehmerfeld in Richtung Ziel.
Über die schier endlosen Weiten des zugefrorenen Baikalsees lief das weit auseinander gerissene Teilnehmerfeld in Richtung Ziel.
Foto: FUNKE Foto Services

Duisburg. An der Nasenspitze von Werner Grittner ist noch immer ein kleiner Erfrierungsfleck zu erkennen. Die Strapaze von Sibirien hat bei ihm Spuren hinterlassen. Der Großenbaumer (56) absolvierte mit Johannes de Kruijff (61) aus Ruhrort den „Baikal Ice Marathon“ in Russland. Die Extremsportler liefen mit 156 anderen Startern aus aller Welt 42,195 Kilometer über den zugefrorenen Baikalsee – bei eisigem Gegenwind und Temperaturen von minus 27 Grad. Kein Wunder, dass die Duisburger nach ihrer Rückkehr in die Heimat erschöpft feststellten: „So schwer hatten wir es uns nicht vorgestellt. Es war das härteste Rennen unseres Lebens.“

Und das will was heißen! Das Duo hat nicht nur rund 100 Marathons in den Beinen, sondern es läuft sogar Rennen über 160 Kilometer. Bei der Herausforderung in Sibirien, der sie sich erstmals stellten, war es vor allem der Tiefschnee, der Grittner und de Kruijff zu schaffen machte. Denn ein paar Kilometer, nachdem sie am Startpunkt im Städtchen Tanchoi am Ostufer des Baikalsees losgelaufen waren, stießen sie auf dem See auf frisch gefallenen Pulverschnee. „Der war so tief, dass wir teilweise bis zu den Knien darin versunken sind“, erzählt Grittner. „Von Laufen konnte da keine Rede mehr sein. Das war mehr ein Stapfen.“

Zu kalt zum Unterhalten

Auch die Kälte machte ihnen zu schaffen. Daran änderten auch die Spezialkleidung und die mit Spikes und einer Art Schneekette bestückten Laufschuhe nichts. „Der Wind kam immer seitlich scharf von vorn“, erzählt de Kruijff. Sie zogen sich Halstücher vors und Mützen tief ins Gesicht. Es blieb trotzdem eine Tortur. „Es war so kalt, dass man sich nicht einmal unterhalten konnte – und das tun wir sonst immer“, so Grittner. „Wir waren allein mit uns und unseren Gedanken mitten in dieser rauen Natur. Es fühlte sich an, wie ein Kampf gegen die Elemente“, so de Kruijff.

Ab und an sahen sie einige hundert Meter vor oder hinter sich mal einen Konkurrenten. Doch das Teilnehmerfeld zog sich extrem auseinander. Begegnungen gab es an einem der sechs Verpflegungsstände. Dort wurden Nüsse, Schokolade, Wasser und heißer Tee gereicht. „Der war aber manchmal schon aufgebraucht, als wir ankamen“, schildert de Kruijff. „Da blieb uns nichts Anderes übrig, als das eiskalte Wasser zu trinken.“

Der Zieleinlauf war der schönste Moment

Irgendwann tauchte dann das riesige, am westlichen Seeufer gelegene Hotelgebäude in Listwjanka am Horizont auf. Und mit dem Zielort vor Augen überstanden beide auch die letzten Kilometer. Nach 6:54 Stunden waren sie angekommen. „Der Zieleinlauf war der schönste Moment“, so Grittner. „Da hatte ich Tränen in den Augen.“ Der Sieger aus Polen war übrigens drei Stunden früher da.

Als Lohn für all die Anstrengungen gab es für die Duisburger ein Finisher-Shirt und eine gläserne Medaille. Und – werden sie sich dieser Strapaze noch einmal stellen? „Nein, wir haben jetzt erfahren, was das für eine Herausforderung ist “, so Grittner. „Aber es war ein erhabenes Gefühl, mitten auf dem Baikalsee auf dem Eis zu stehen und zu wissen, dass unter dir gerade 1600 Meter tiefes Wasser ist.“